Bertrand Louart, Eine kritische Geschichte der Biologie, 2013

It is above all against this shabby mechanization of our scientific imagination, which kills all ability to notice the unforeseen, that I protest, against this mat finish over a chaos of unrecognized ignorance, this butcher-like brutality with things that cry for gentle caution.

Erwin Chargaff, Essay on Nucleic Acids, chapter 11, 1963.

 

The comparison of the universe to a machine of human contrivance is so obvious and natural, and is justified by so many instances of order and design in nature, that it must immediately strike all unprejudiced apprehensions, and procure universal approbation. Whoever attempts to weaken this theory, cannot pretend to succeed by establishing in its place any other, that is precise and determinate.

David Hume, Dialogues concerning Natural Religion, 1779.

 

André Pichot ist Historiker und Wissenschaftsphilosoph. Er forscht an der Universität von Nancy. 2011 hat er ein umfangreiches Werk publiziert, das eine sehr kritische Analyse der modernen Biologie beinhaltet. Hier eine Übersicht über dieses ungewöhnliche Buch.

 

Seit den Neunzigerjahren hat André Pichot ein Dutzend Werke über Wissenschaftsgeschichte geschrieben, im speziellen über seine Lieblingsdisziplin, die Biologie. Die Geschichte, die er schreibt, ist allerdings nicht die eines ruhig dahingleitenden Forschungsprozesses, der wie selbstverständlich zum Triumph der aktuellen Theorien über das Leben führt. Im Gegenteil, es ist eine überraschende und komplexe Geschichte, voller Irrtümer und Sackgassen, plötzlicher Wendungen und unbrauchbarer Neuorientierungen. Eine Geschichte, umgeben von Mythen, Legenden und falschen Ideen, von Betrügereien und zweifelhaften Angelegenheiten mit dem Resultat, dass es etliche Leichen im Keller gibt… Es ist vor allem die Schilderung des Triumphs einer völlig irre geleiteten Auffassung, die sich entgegen allen Beweisen des Gegenteils durchgesetzt hat, nämlich die des Lebewesens als Maschine.

Anders gesagt, Pichot zeigt eine Geschichte der Biologie auf, die vor allem von Kritik geprägt ist. Dieser ungewöhnliche Standpunkt beruht einerseits auf einem soliden Quellenstudium, einem Zurück zu den Originaltexten, die es erlauben, mit den vielen Mythen und Legenden, die diese Geschichte umgeben, aufzuräumen. Andererseits beruht er auf einer Theorie der Biologie, einer Theorie, die sich damit befasst, was ein Lebewesen ausmacht im Gegensatz zum mechanischen Wesen. Sie ist in gewisser Weise der Prüfstein, an dem die Gesamtheit dieser Geschichte kritisch analysiert werden kann.

Seit der Einführung seines ersten geschichtlichen Werks über die Biologie hat er den folgenden Rahmen gesteckt:

«Auch wenn es uns direkt betrifft, ist nie klar definiert worden, was den Begriff ‚Leben‘ ausmacht, weder in der Geschichte der Wissenschaft noch der Philosophie. Dies sicherlich, weil er schwierig zu fassen ist. Über ihn kann man sagen, was Augustinus seinerzeit sagte: ‚Was ist also das Leben? Wenn mich niemand fragt, weiß ich es, aber sobald mich jemand danach ersucht, es zu erklären, weiß ich es nicht mehr.‘ […] Wenn der Begriff ‚Leben‘ so schwierig zu umschreiben ist und nie klar definiert wurde, warum und wie darüber Geschichte schreiben? Kann ein nicht definiertes Konzept nicht nur existieren, sondern auch eine Geschichte haben? […] Im Gegensatz zur Mathematik, der Physik und sogar der Chemie war die Biologie nie als Entwicklung dargestellt worden, sondern vielmehr als Anhäufung von Hypothesen, anekdotischen Experimenten und allfälligen Entdeckungen. Diese Entdeckungen scheinen meistens zufällig gemacht worden zu sein, denn in ihrer Zeit hatte der theoretische Rahmen, in dem sie gemacht wurden, nichts mit dem zu tun, wie wir diesen heute interpretieren.»

A. Pichot, Histoire de la notion de vie, Gallimard verlag, 1993.

Tatsächlich gibt es in der Biologie, der Wissenschaft, die sich mit den Lebewesen befasst, gut 200 Jahre nach ihrer Erfindung von Lamarck in Frankreich und Treviranus in Deutschland noch immer keine Definition des Studienobjekts. Das Fehlen dieser Definition erklärt zum Teil die mehr oder weniger chaotische Theoriefolge. Die Unfähigkeit, eine solche Theoriefolge aufzustellen, indem dies immer wieder verschoben und niemals angegangen wurde, hatte, beinahe aus Versehen, die Auffassung siegen lassen, dass das Lebewesen als Maschine gesehen wird.

Das Leben existiert nicht!

Heutzutage beherrscht die so genannte Kybernetik die Biologie, auch wenn dieser Ausdruck nicht benutzt wird. Das Lebewesen wird als eine Art biochemische Fabrik wahrgenommen, die durch ein genetisches Programm gesteuert wird und deren Bestimmung es ist, seine genetische Information zu verdoppeln und weiter zu verbreiten. Seit einiger Zeit behaupten die Anhänger dieser Auffassung übrigens, dass das Leben nicht existiert – was zugegebenermaßen ein schlauer Ausweg aus dem Dilemma um die Definition des Lebens ist.

Der erste, der eine solche Position vertreten hat, war der ungarische Biochemiker Albert Szent-György, Entdecker des Vitamins C und Nobelpreisträger für Medizin 1937. In einem seiner Werke, das die «Natur des Lebens» behandelt, zögerte er nicht zu schreiben:

«Da das Leben nicht existiert, hat es auch niemand je gesehen… Der Begriff “Leben” macht keinen Sinn, denn eine solche Sache existiert nicht.»

Hier haben wir jemanden vor uns, der wohl selten seine Augen vom Labortisch erhoben hat!

1970 setzte der Biologe François Jakob hinzu:

«Heutzutage untersucht man in den Laboren nicht mehr das Leben, man versucht nicht mehr seine Konturen zu erkennen. Man strebt lediglich an, die lebenden Systeme zu analysieren, ihre Struktur, ihr Funktionieren, ihre Geschichte. (…) Die Biologie von heute interessiert sich für die Algorythmen der lebenden Welt.»

François Jacob, Die Logik des Lebenden, eine Geschichte der Vererbung, 1970.

Uns noch näher, führt Henry Atlan diese Behauptungen aus:

«Das Forschungsziel der Biologie ist physikalisch-chemisch. Von dem Moment an, wo man Biochemie und Biophysik betreibt und von wo an man die physikalisch-chemischen Mechanismen, als die Eigenschaften von Lebewesen begreift, verschwindet das Leben. Heute muss ein Molekularbiologe bei seiner Arbeit das Wort “Leben” nicht mehr in den Mund nehmen. Das erklärt sich aus der Geschichte: Er beschäftigt sich mit Chemie, die in der Natur existiert, in gewissen physikalisch-chemischen Systemen mit gewissen Eigenschaften, Pflanzen oder Tiere genannt, das ist alles! […]

Wenn ich sage: das Leben existiert nicht, bin ich mir bewusst, dass ich auch weiterhin von meinem Leben und meinem Tod oder dem von jemand anderem als eine Realität sprechen werde. Ich weiss genau, dass das Leben existiert! Aber nicht im Sinne eines Objekts der biologischen Forschung. Das Leben als Objekt der wissenschaftlichen Arbeit existiert nicht, als innere Erfahrung und soziale Realität, als Gegenpol zum Tod existiert es selbstverständlich. Verschwunden ist die Unterscheidung zwischen dem Leben als Forschungsobjekt und dem Leblosen, dem Bewegungslosen.»

Henri Atlan, Question de vie, entre le savoir et l’opinion, Seuil verlag, 1994.

Zusammengefasst soll das biologische Leben also nur eine Sinnestäuschung sein, eine «innere Erfahrung» und eine soziale Konstruktion ohne eigene Realität. Bleibt herauszufinden, woher das Gefühl kommt, dass wir uns lebendig fühlen, wenn sein biologischer Ursprung fehlt…

Atlan, der sicher einer der intelligentesten Köpfe dieser kybernetischen Richtung ist, versucht immer wieder «das Leben ohne Leben» [1] zu erklären, das heißt, ohne Zuflucht zu nehmen in das Leben, was nach ihm gänzlich mysteriös, gewaltig und unerklärlich ist. Er behauptet, hier im Gegensatz zu stehen zu den «Vitalisten» in der Biologie, die den Standpunkt vertreten, dass die Lebewesen von einer «Lebenskraft» beseelt sind, eine besondere, mysteriöse und ganz den Lebewesen eigene. In Wahrheit vertritt seit Beginn des 20. Jahrhunderts keiner mehr solche Ideen in der Biologie.

Es ist also unwissenschaftlich, davon auszugehen, dass das Leben existiert und dass Lebewesen sich von Maschinen und unbeseelten Objekten unterscheiden. Vielleicht ist die Wissenschaft auch nicht dazu geeignet, so fremdartige biologische Objekte wie die Lebewesen zu erforschen…

 

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Das Material, aus dem Lebewesen gemacht sind

Pichot prangert den Irrtum der Wissenschaftler an, die behaupten, dass «das Leben nicht existiert». Die Molekularbiologie erforscht nämlich nicht die Lebewesen als solche, sondern nur das «Material aus dem Lebewesen gemacht sind». Dieses Material, bestehend aus Molekülen wie Proteinen, DNS, Enzymen, usw. ist an sich nicht lebendig, es ist nicht von einer «Lebensenergie» erfüllt, es sieht leblosen Objekten ähnlich, auch wenn viele dieser Makromoleküle nur bei Lebewesen vorkommen. Das Leben geht über eine molekulare Struktur hinaus, es findet sich in der dynamischen Organisation dieser biochemischen Zyklen, des Metabolismus der Zellen als Ganzes.

Als Lamarck die Biologie entwickelte, hat er dies bereits erkannt. Leben war für ihn das Produkt einer «spezifischen Organisation von Materie, die den Lebewesen eigen ist» und der Lebensenergie, die selbstständige Aktivität der Lebewesen, die jeder beobachten kann. Dies war für ihn die Konsequenz dieser Organisation und nicht deren Ursache, im Gegensatz zu den Vitalisten, mit denen er nicht einverstanden war.

Pichot kommt zu dem Schluss, dass der Begriff Mikrobiologie eine Art Oxymoron ist, denn da kein Molekül von Leben erfüllt ist, kann die Erforschung des Materials, aus dem die Lebewesen bestehen, nicht dazu führen, die «Geheimnisse des Lebens» zu entdecken. Eine Biologie, die nicht die Lebewesen erforscht, ist also eher eine allzu anmaßende Biochemie.

« Heutzutage gewinnt man den Eindruck, dass sich der Fokus der Biologie nicht so sehr auf die Erforschung des Lebens und die Besonderheit der Lebewesen gegenüber unbeseelten Gegenständen richtet, als vielmehr auf dessen Verneinung, auf die Gleichschaltung, Vereinfachung zu einem biochemischen Universum. (…) Damit wir uns nicht falsch verstehen, wir erkennen die Nutzen der Biochemie an; was wir hier kritisieren, ist diese Perversion der Biologie, ihre Bestimmung darin zu sehen, ihr Forschungsziel zu negieren und sich damit als eigenständige Disziplin selbst abzuschaffen. Ein selbstzerstörerischer Reduktionismus, der weniger durch die Erkenntnisse der Biochemie entsteht, als vielmehr durch eine mittelmäßige Geisteshaltung mancher Biochemiker. »

A. Pichot, Histoire de la notion de vie, 1993.

Diese Mittelmäßigkeit des Nachdenkens, diese Faulheit und die Vermessenheit, «das Leben zu beherrschen», die gewisse Biologen hervorgebracht hat, und in der diese sich bequem einrichten, prangert Pichot in seinen Werken an. Man kann sich leicht vorstellen, dass er sich damit nicht nur Freunde gemacht hat.

Als Reaktion auf das Klonen von Säugetieren und die Entschlüsselung des menschlichen Genoms hat er angeklagt, dass diese großen Projekte der Biotechnologie nur dazu dienen, von einer theoretischen Leere abzulenken, in welche die moderne Biologie geraten ist. Und von der Verwirrung der Biologen vor einem Gegenstand, der nicht aufhört, den Theorien zu widersprechen, die sie sich zurechtgelegt haben. Dabei sind sie weit davon entfernt, zu einem besseren Verständnis dessen beizutragen, was ein Lebewesen, geschweige ein menschliches Wesen, eigentlich ist.

«Wenn man den Medien glauben will, ist die Biologie die letzte Bastion des ständigen Umbruches. Es vergeht kein Monat, ohne dass man uns eine sagenhafte Entdeckung verkündet, imstande für immer das Hungerproblem zu lösen, oder eine alles umwerfende Entwicklung, die uns unglaubliche Aussichten auf neue Therapiemethoden eröffnet. Etwas leiser und bescheidener sind die Meldungen, wenn es sich um unschickliche technische oder eine photogene Verwertung handelt, an der jemand reich werden kann. Sich ständig wiederholende Wunder, begleitet von einem enormen finanziellen Gewinn, im vorsichtigen Futurum, der Zeitform für Versprechungen ohneGarantie und bei den Biologen besonders beliebt – neben dem Konditional, das gerne benutzt wird, wenn der Brocken etwas schwer zu schlucken ist.

Bei einem solchen Spektakel behaupten die Miesmacher (mit bösen Zungen, aber guten Augen), dass eine Wissenschaft, die alle vierzehn Tage eine Revolution erlebt, eine Wissenschaft ist, die sich im Kreis dreht. Eine Wissenschaft, die ein derartiges Bedürfnis hat, sich in den Medien in Szene zu setzen und alles verspricht, ist eine Wissenschaft, die den Boden unter den Füssen verloren hat. Sie verheddert sich in einem Durcheinander von Testresultaten, unfähig, diese zu ordnen und auszuwerten, weil eine entsprechende Theorie fehlt. Wenn man genau hinschaut, ist das auch der Fall. Diese so genannten Revolutionen sind im Wesentlichen nichts als der Ausdruck für den schrittweisen Verfall des theoretischen Rahmens für die Molekulargenetik und damit auch für die moderne Biologie, in der sich alles um die Genetik dreht.»

A. Pichot, Mémoire pour rectifier les jugements du public sur la révolution biologique, revue Esprit, août-septembre 2003.

(Bleibt anzumerken, dass Pichot einer der wenigen Wissenschaftler ist, der sich für René Riesel und José Bové eingesetzt hat, als diese im Februar 2001 wegen der Zerstörung eines Gentechnik-Versuchsfeldes in Frankreich angeklagt worden waren.)

Eine lebendige Maschine

Wie ist es so weit gekommen? Der zentrale Kritikpunkt Pichots an der modernen Biologie ist, dass die Biologen sich nie daran gemacht haben festzulegen, was ein Lebewesen eigentlich ausmacht im Gegensatz zu unbeseelten Dingen, welche von der Physik untersucht werden, aber auch im Gegensatz zu beweglichen Dingen, Maschinen, die es der Physik erlauben, Erkenntnisse zu erlangen und «Naturgesetze» zu entdecken. Wissenschaftliche Methoden sind durch und für die Physik entwickelt worden. Es handelt sich um die Erforschung von Dingen, die als starr und tot gelten. Dennoch, wenn Lebewesen materielle Objekte sind, besitzen sie auch Eigenschaften, die man in einem Stein findet oder in physikalisch-chemischen Prozessen, wie dem Abbrennen einer Kerze, was früher auch unter den Begriff Schöpfung fiel. Lebewesen assimilieren ständig Stoffe aus ihrer Umgebung durch Nahrungsaufnahme und Atmung, erneuern ihr Gewebe, entwickeln und vermehren sich. Sie haben sich im Laufe der Evolution entwickelt und Organe herausgebildet, die hervorragend den entsprechenden Bedürfnissen angepasst sind.

Eigenständiges Handeln

All diese Phänomene haben eine physikalisch-chemische Basis, die von der modernen Biologie mehr oder weniger gut erforscht ist. Kein Wissenschaftler würde heute mehr wagen, dies mit einer mysteriösen und unergründlichen Lebenskraft zu erklären. Es ist ebenfalls klar, dass es einen erheblichen Unterschied gibt zwischen normalen physikalisch-chemischen Phänomenen und den Lebewesen. Ein unbeseeltes Objekt wie ein Stein oder ein Phänomen der Selbstorganisation, wie die Flamme einer Kerze, sind komplett abhängig von den Umständen, in denen sie sich befinden. Ein Lebewesen, das ebenfalls eine Form von Selbstorganisation von Materie ist, hängt zwar sicherlich auch von gewissen Grundelementen ab, ist aber stark unabhängig von vielen Umständen. Es kann ihnen ausweichen oder sie verändern und beschafft sich vor allem durch seine eigenen Aktivitäten die Nahrung, die es benötigt.

Was unterscheidet die Lebewesen also grundlegend von Maschinen? Uns fällt auf den ersten Blick auf, dass sie mit eigenständigem Handeln ausgestattet sind. Die Aktivität einer Kerzenflamme ist kurzlebig, sie dauert nur so lange, bis das Wachs aufgebraucht ist. Ein Lebewesen ist dagegen im Stande, in seiner Umgebung nach etwas zu suchen, womit es seine innere Organisation und damit seine Aktivitäten erneuern kann. Es ist eine Selbstorganisation der Materie, die sich selbst wieder herstellt. Dies ist ein grundlegender Unterschied zwischen Lebewesen und Maschine. Auch das Phänomen der Regeneration ist bei Maschinen unbekannt. Man hat noch nie gesehen, dass eine Maschine sich in ihrem Umfeld die Bestandteile für ein neues Getriebe zusammengesucht hat, oder eines von einer anderen genommen hat, um es bei sich einzubauen, wenn das eigene abgenutzt oder kaputt ist. Man hat ebenfalls noch nie gesehen, wie eine Maschine eine neue, ihr gleichende gezeugt oder gebaut hat. Eine Maschine ist auch nicht imstande, sich zu verändern, um sich einer neuen Umgebung anzupassen, oder sich neue Funktionen anzueignen, die sie vorher nicht hatte und die sie befähigt, auf neue Weise mit ihrer Umgebung in Beziehung zu treten. Eine Maschine hat in jedem Fall einen Konstrukteur oder einen Piloten – auch wenn es nur ein Computerprogramm ist – die zwangsläufig menschlichen Ursprungs sind. Ein Lebewesen wurde durch ein Lebewesen hervorgebracht, bis auf das allererste, welches das Produkt einer Selbstorganisation von Materie war, die an dem Punkt ankam, von dem aus sie imstande war, sich selbst zu reproduzieren.

Diese spezifische Eigenschaft von Lebewesen zu verstehen durch einen Vergleich mit den Dingen, die dies nicht sind, ist eine Herangehensweise, die man philosophisch, erkenntnistheoretisch oder wenigstens theoretisch nennen kann. Es ist aber ein zentraler Punkt für Pichot, denn die Antwort auf diese Frage sollte zu einem ganz anderen Verständnis führen, was Lebewesen sind. Die Methode, sie zu studieren, sollte an diese Besonderheit angepasst sein und auf diese Weise die ganze Einzigartigkeit der Logik des Lebendigen aufzeigen. Leider ist dies nicht der Fall.

Die Biologen ziehen es vor in Bezug auf die Lebewesen die Logik des Ingenieurs anzuwenden, des Konstrukteurs von Maschinen.

 

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Es gibt viele Gründe, weshalb die Biologen das Konzept des Lebewesens als Maschine für richtig halten. Der triftigste und mächtigste hängt mit der eigentlichen Gestalt der wissenschaftlichen Methode zusammen. Diese Methode, seit dem siebzehnten Jahrhundert entwickelt, um physikalische Objekte zu erforschen, verlangt bei ihrer Anwendung diverse Bedingungen: Das Objekt muss isoliert sein. Seine Bewegungen und seine Veränderungen müssen unbeeinflusst von äußeren Einflüssen studiert werden können, mit Ausnahme derer, die auf kontrollierte Weise vom Experimentierenden ausgehen. Das Objekt muss einfach sein, man erforscht seine primären Qualitäten, die auf einfache Weise gemessen und quantifiziert werden können. Schließlich müssen die Erkenntnisse, die aus solchen Studien erwachsen, «universell» sein, das heißt, dass dasselbe Experiment, wenn es unter denselben Bedingungen durchgeführt wurde, beliebig oft mit dem selben Resultat wiederholt werden kann. Außerdem spielt sich alles innerhalb der Gegebenheiten der Naturgesetze ab.

Nur, Lebewesen können nicht so leicht unter solchen Bedingungen betrachtet werden. Sicherlich können sie isoliert werden, wirklich verstehen kann man sie aber nur im Hinblick auf ihre Beziehung zu ihrem Umfeld und zu Ihresgleichen. Man kann sie gewiss messen, die sachdienlichen Eigenschaften wie Form oder Verhalten sind jedoch nicht messbar. Außerdem kommt hinzu, dass das Wissen über sie sehr unterschiedlich sein kann, je nach Funktion des Individuums, Gattung, und seinen Bezug zur Umwelt. Ein Lebewesen ist derart komplex, dass selbst auf einer physikalisch-chemischen Ebene, die noch am ehesten wissenschaftlich erfassbar scheint, es nahezu unmöglich ist, die Gesamtheit der physikalisch-chemischen Prozesse zu studieren und zu verstehen, wie diese Zusammenhänge zu einer autonomen Aktivität – dem Leben – führen.

Die Anwendung dieser wissenschaftlichen Methode führt zur, wie der Botaniker Gérard Nissim Amzallag betont, «chronischen Nicht-Angepasstheit des Lebewesens an seinen Rahmen der Forschung» [2]. Anders gesagt, die wissenschaftliche Methode, die für und durch die Physik entwickelt wurde, also um tote und regungslose Materie zu erforschen, stösst hier an ihre Grenzen. Ein Lebewesen ist zu komplex und turbulent in all seinen unzähligen Erscheinungsformen für eine Methode, die eine Isolation und Stabilität des Objekts, die Wiederholbarkeit von Versuchen, dessen Quantifizierung und Mathematisierung als Bedingung für dessen Erforschung und Beherrschung verlangt.

Noch das einfachste Lebewesen ist kein gewöhnliches physikalisches Objekt, denn es ist zwar denselben physikalischen Gesetzen unterworfen, macht aber etwas anderes daraus: Die Physik kann zwar die Wurfbahn eines Steins berechnen, die Biologie kann jedoch kein esfalls die Flugbahn eines Vogels vorausberechnen, dies obwohl beide dem Gravitationsgesetz unterliegen und der Reibung mit der Luft ausgesetzt sind. Die Erforschung der Lebewesen müsste zuerst festlegen, worin diese Besonderheit im Gegensatz zu von der Physik untersuchten unbelebten Objekten besteht und dann eine angepasste Methode entwickeln, welche Erstere erforscht und so die experimentelle Methode ergänzen.

Ablehnung der Eigenarten

Nun hat aber eine gewisse Wissenschaftsgläubigkeit seit dem 19. Jahrhundert dazu geführt, dass die experimentelle Wissenschaftsmethode als die allem genügende und einzig richtige Methode zur Erforschung aller Phänomene erachtet wurde. Dies ist durch die Expansion der kapitalistischen und von Industrialisierung geprägten Gesellschaft und die Erfolge von Technik und Wissenschaft bei der Beherrschung des Umgangs mit Rohmaterialien zu erklären. Die Eigenarten und auch die Grenzen der verschiedenen Wissenschaftszweige wurden verschleiert. Die Physik wurde zum Modell von Wissenschaftlichkeit erhoben, von der Biologie bis zur Soziologie. Diese undifferenzierte Anwendung derselben Methode bei so verschiedenen Forschungsobjekten hatte schwerwiegende Konsequenzen für die Erforschung der Lebewesen.

«Das grundsätzlich unpassende, aus der Physik entlehnte Herangehen führt zu einer chronischen Krankheit in der Biologie, nämlich der überall möglichen Täuschung, aber auch zum systematischen Einfließens von ideologischen Kriterien von außerhalb der Wissenschaft, was das Befürworten, die Überprüfung und die Verbreitung der einen, im Gegensatz zur anderen Theorie betrifft. Beide Aspekte dieser Krankheit, Täuschung und ideologische Befangenheit, sind aufs Engste miteinander verknüpft.»

G. N. Amzallag, La raison malmenée, 2002.

Es handelt sich hier um Täuschung im weiter gefassten Sinne, es sind keine Umstände oder Resultate gefälscht worden. Eher wurde das Forschungsobjekt Lebewesen mit zu eng gefassten Methoden erforscht und diejenigen Aspekte sind zur Seite geschoben worden, bei denen die Methoden der experimentellen Wissenschaft nicht greifen.

Ideologische Kriterien fließen auf verschiedenen Ebenen ein. Ihnen liegt zu Grunde, dass das Lebewesen erst einmal bis zum Geht nicht mehr zur Maschine reduziert wird. Das ist übrigens reichlich schizophren: Einerseits wissen die Biologen, dass sie ja selber Lebewesen sind und keine Maschinen, andererseits verlangt die wissenschaftliche Methodik der Biologie, der Wissenschaft, die sich mit dem Leben beschäftigt, sich an der Funktionsweise von Maschinen zu orientieren. Dieses Zurückdrängen der Subjektivität führt dazu, dass bei den Wissenschaftlern immer unbewusst die Haltung mitschwingt, dass auch Lebewesen Maschinen sind und dies prägt die moderne Biologie. Diese Haltung ist bei allen Beteiligten implizit vorhanden, wurde aber nie ausdrücklich formuliert, analysiert oder diskutiert. Es kommt durch dieses Ungesagte, Zurückgedrängte und Undurchdachte, dass alle möglichen Ideen aus einem sozialen Kontext ausgeliehen werden, um dann wieder auf die Dinge zurückzukommen und zu rechtfertigen, dass der Stand der Dinge sich so und so verhält.

Die moderne Biologie kann also durchaus als wissenschaftliche Ideologie angesehen werden, wie es der Wissenschaftsphilosoph Georges Canguilhem definiert hat. Hier umschreibt er sie als eine noch nicht ausgereifte Wissenschaft, weil sie nicht imstande ist, ihr Objekt in seiner Besonderheit zu erfassen. Sie beruht auf einer unsicheren Grundlage, bedient sich ungenauer Methoden und schlecht definierter Begriffe. Sie nimmt bereits existierende Wissenschaften zum Vorbild und übernimmt Ideen, Begriffe und Konzepte nicht nur aus dem Reich der Wissenschaften. In einer allumfassenden Weise behauptet eine Ideologie, die Wahrheit zu verkünden, aber in Wirklichkeit ist sie dazu da, eine bestehende Situation und entsprechende soziale Beziehungen zu festigen. Die wissenschaftliche Ideologie ist keine eigentliche Theorie, sondern ein System von Ideen oder Ideen, die System haben. Das heißt, sie bestehen aus einer Argumentationsreihe, die fern dessen stattfindet, was Wirklichkeit ist, obwohl sie eigentlich gerade diese abbilden wollen. So verfängt sich das Denken in einem Teufelskreis von um sich selbst drehenden Definitionen und Bezugnahmen.

Im Grunde genommen hat das fehlende Nachdenken über die Natur und die Lebewesen sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit katastrophale Konsequenzen, nicht nur in der Wissenschaft…

 

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Wissenschaftliche Ideologien

Die moderne Wissenschaft stützt sich aktuell auf drei Pfeiler, oder eigentlich drei wissenschaftliche Ideologien, die nach und nach aufgetaucht sind und die sich zu einer einzigen, in sich zusammenhängenden Theorie ergänzt haben. Eigentlich bedienen sie jedoch jediglich verschiedene Dunstkreise mit der Ansicht, dass Lebewesen Maschinen sind.

Da ist zunärchst der Darwinismus.

Der Verdienst von Charles Darwin (1809-1883) ist nicht nur die Beschreibung der natürlichen Selektion als Mechanismus der Anpassung der Lebewesen an ihre Umgebung. Es ist vor allem auch die Idee vom Lebewesen als Maschine, die der Naturtheologie entnommen wurde. Lamarck sprach auch von der Erweiterung der Vielfalt des Lebens, was die Evolutionslehre von Darwin nicht verstand und die von deren Anhängern nicht berücksichtigt wurde. Darwin wendet sich immer wieder gegen die «Spielarten der Schöpfung», gegen die Idee, dass die verschiedenen Arten von Gott selbst geschaffen worden sind. Die Naturtheologie führt zwar auch aus, dass Lebewesen Maschinen ähnlich seien, weil ein Höherer Ingenieur sie geschaffen habe. Darwin zeigt hingegen auf, dass die Entstehung der Arten das Resultat eines strikt materiellen Mechanismus ist, einer Kombination aus Variation und Selektion; auf diese Weise lässt Darwin das Lebewesen als Maschine in die Welt der Wissenschaft einziehen.

Er lässt sich von den Schriften des Pastors Thomas Malthus inspirieren, der über die Ursachen der Armut und die Debatten über die Abschaffung der Gesetze zur Unterstützung von Bedürftigen schreibt. Diese 1834 erfolgte Abschaffung war der Beginn des freien Arbeitsmarktes im industrialisierten England in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts. Bevölkerungswachstum, Verknappung der Ressourcen, Kampf ums Überleben, die Auswahl des am besten Geeigneten, all diese Bestandteile der Ideologie des sich selbst regulierenden Marktes finden sich im Mechanismus der natürlichen Selektion wieder. Im Gegenzug dienten sie als Argument, den Aufschwung des Kapitalismus und des Imperialismus in der Gestalt des Sozialdarwinismus und des wissenschaftlich fundierten Rassismus als natürlichen Vorgang zu rechtfertigen.

Als nächstes kommt die Genetik.

Der Begriff Vererbung erscheint in der Biologie in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts. Er ist direkt verwandt mit dem Begriff Erbe, der in einem gesellschaftlichen und juristischen Zusammenhang verwendet wird. Vererbung wird als physiologische Funktion, gleichbedeutend mit der Nahrungsaufnahme oder der Reproduktion begriffen. So, wie die jeweilige Generation den Reproduktionsprozess bestimmt, bestimmt die Vererbung die Weitergabe der anpassungsfähigen Eigenschaften während des Evolutionsprozesses. Es ist tatsächlich, schwierig die Idee der Evolution der Arten mit deren meist wahrgenommener Stabilität in Übereinstimmung zu bringen. Ende des 19. Jahrhunderts formalisiert August Weismann (1834-1914) die Vererbung, völlig auf Basis theoretischer Spekulationen, indem er den «Germen» (Keimzellen) vom «Soma» (die Zellen des restlichen Organismus) trennt. Nur die Keimzellen, die Träger des Erbmaterials, gehen von einer Generation zur anderen über. Vererbung von im Laufe des Lebens erworbenen Eigenschaften wird also unmöglich. Die Weitergabe einer Substanz von Generation zu Generation ist tatsächlich leichter zu begreifen als die Kontinuität physikalisch-chemischer Prozesse.

Anfang des 20. Jahrhunderts entdecken die Biologen die Arbeiten über die Hybridisierung von Pflanzen wieder, die der Mönch Gregor Mendel (1822-1884) im Jahre 1865 publizierte. Die Mendel’schen Gesetze entsprechen der Idee, die man sich von der Vererbung macht: Isolierbare Bestandteile, die Gene, bestimmen vererbliche Eigenschaften wie Farbe, Größe usw. Der Genotyp bestimmt den Phänotyp, das Unsichtbare bestimmt, laut weiser Berechnungen, das Sichtbare. Diese Berechenbarkeit der Resultate in der Vererbungslehre beschert der Genetik ein großes Publikum und großen Erfolg bei den Biologen. Man kann die Gene zahlenmäßig erfassen, Genompläne erstellen, genetische Modelle von Populationen ausarbeiten usw. Entdeckungen und wissenschaftliche Publikationen sind zahlreich, aber trotz dieses Erfolgs gibt es kaum praktische Anwendungen. Das hat allerdings nicht davon abgehalten, ab 1883 von Erbgesundheit zu sprechen. Insbesondere der Vetter von Charles Darwin, Francis Galton (1822-1911) hat von jenem Jahr an, im Rahmen seiner Überlegungen zur «Vererbungstechnik», die so genannte Eugenik als Begriff und Disziplin geprägt.

«Gegen Ende des letzten Jahrhunderts und zu Beginn des jetzigen sind wir sehr degeneriert, das war Mode, sowohl in den Arztpraxen als auch in den Salons […]Wir sind degeneriert aufgrund des Niedergangs der Zivilisation, die guten Manieren sind mit dem Aufkommen der Industrialisierung und des Proletariats verloren gegangen. Exzesse der Zivilisation wie die Extravaganzen von Oscar Wilde, die Verschwommenheit des Symbolismus, die Arabesken des Jugendstils, all das weist auf eine Kultur hin, die sich in einer raffinierten Morbidität aufreibt. Kurz gesagt, degenerierten wir, aus welchem Grund auch immer, aber wir degenerierten. Gleichzeitig machte die Menschheit in denselben Arztpraxen und Salons riesige Fortschritte. Überall wurde die Wissenschaft gefeiert. […] Angesichts dieser allgemeinen Entartung der Gesundheit, der Sitten, der Politik und der Kunst richtete sich die Wissenschaft auf, als letzte Bastion der Menschheit und der Zivilisation. So stellt sich der Kontext dar, indem diverse biologische, politische, soziale Doktrinen das Licht der Welt erblickten: Sozialdarwinismus, negative Eugenik, positive Eugenik.»

A. Pichot, L’eugénisme ou les généticiens saisis par la philanthropie, Hatier verlag, 1995.

Tatsächlich, mit dem raschen Fortschreiten der Industrialisierung, dem Aufkommen der Arbeiterklasse als gesellschaftliche Kraft und all den Umwälzungen, die das Ganze mit sich brachte, haben sich verschiedene Ideologien gebildet. Sie wurden von diversen Biologen und Medizinern aufgenommen und ausgefeilt, die politisch sowohl rechts als auch links stehend, mittels der neuartigen Wissenschaft namens Genetik nach technischen Lösungen dieser politischen und sozialen Probleme suchten. Die dem zu Grunde liegende Idee war, dass der Mensch nicht an die Welt der von ihm geschaffenen Maschinen angepasst ist. Es braucht daher ein eugenisches Programm, welches die Individuen selektioniert und die «Rasse» verbessert. Der Science-Fiction-Roman «Schöne neue Welt», 1935 von Aldous Huxley veröffentlicht, fasst diese Ideologie gut zusammen. Aldous war der Bruder des renommierten Biologen, Eugenikers und Sozialisten Julian Huxley, der keine Hemmungen hatte, zu erklären dass man die Eugenik zur «Religion der Zukunft» erheben sollte. Wohin das führen konnte, ist wohl allen bekannt…

Bleibt noch die Molekularbiologie.

Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wandten sich viele Physiker der Biologie zu, da diese ähnliche Erfolge wie die Physik versprach. Tatsächlich erlauben die während des Krieges erzielten Fortschritte in Physik und Chemie eine viel weiter gehende Analyse der Materie, aus der die Lebewesen bestehen. Physiker führen also ihre Experimente in die Biologie ein und experimentieren mit Kristallographie, Radioaktivität oder Teilchenbeschleunigern. Auf diese Weise fließt ihre Herangehensweise in die Beschäftigung mit den Lebewesen ein.

In einer 1944 beginnenden Vorlesungsreihe nähert sich der Physiker Erwin Schrödinger (1887-1961) der Frage «Was ist Leben» in Begriffen der Chemie und Physik – später sollte dies als die Geburtsstunde der Molekularbiologie gelten [3]. Indem er den Organismus auf eine immense Ansammlung von Molekülen reduziert, sucht Schrödinger nach der dem Leben eigenen «Ordnung». Seine Argumentation ist sehr einfach. Für ihn ist der «periodische Kristall» mit der einförmig militärischen Ausrichtung seiner Atome «der komplexeste Gegenstand der Physik». Dieser Kristall ist für ihn das eigentliche Sinnbild dessen, was er als die «Ordnung» des Physischen begreift. Die physische «Ordnung» eines Lebewesens soll also von einem Kristall ausgehen. Jedoch – diese «Ordnung» eines Lebewesens ist komplizierter und vielfältiger als die eines «periodischen Kristalls», also muss der Kristall diese Kompliziertheit und Vielgestaltigkeit durch eine ihm eigene Unregelmäßigkeit widerspiegeln: daher muss es ein «aperiodischer Kristall» sein. Diese Unregelmäßigkeit des Kristalls kann als eine Art «Code» gedacht werden, enthält eine zwingende Folge von Informationen und ist dazu geeignet, die molekulare «Ordnung» eines Lebewesens hervorzubringen [4].

1953 entdecken James Watson und Francis Crick (1916-2004) – beide erhalten 1962 den Nobelpreis – die eine Doppelhelix bildende Struktur der Desoxyribonukleinsäure (DNA). Sie ließen sich dabei von den Arbeiten zur Kristallographie von Rosalind Franklin (1920-1958) [5] inspirieren, ohne diese zu zitieren: die Verbindung zweier komplementärer Basenpaare von Nukleotiden (A und T, C und G) sind die Grundlage des genetischen Codes: je drei Basenpaare bilden eine Kombination, die den Aufbau von je einer der 21 Aminosäuren codieren, aus denen die Proteine zusammengesetzt sind. Die Aufeinanderfolge von Nukleotiden in der DNA bestimmt also den Aufbau der Proteine, das heißt die Klasse von Molekülen, aus denen jedes Lebewesen im Großen und Ganzen besteht. In den folgenden Jahren entdecken François Jacob (1920-2013) und Jacques Monod (1910-1976) – beide erhalten 1965 den Nobelpreis – dass bestimmte DNA-Fragmente gleichfalls zur Steuerung der Genexpression beitragen [6].

Sich von der «Informationstheorie» (genauer: der Theorie von Signalübertragung in Telekommunikationssystemen) eines Claude Shannon (1916-2001) und der Kybernetik (Theorie der «Kontrolle von Kommunikation bei Tieren und Maschinen») eines Norbert Wiener (1894-1964) inspirieren lassend – beide traten in den 1940er Jahren an die Öffentlichkeit – übernehmen Molekularbiologen den Gedanken, dass Lebewesen von einem «genetischen Programm» gesteuert seien, wofür Computerprogramme als Modell stehen.

Tatsächlich scheinen solche Ideen – in keiner wissenschaftlichen Veröffentlichung begründet und durch kein Experiment bewiesen – Produkt nicht haltbarer Verallgemeinerung zu sein, bestärkt von der Kenntnis um die Existenz des genetischen Codes und die Steuerung der Gene. Die Begriffe Code, Steuerung und Programm sind gar nicht zwingend miteinander verbunden: das ist ein bisschen so, als würde man behaupten, eine Lokomotive, die der Gleisführung folgt und mit Tempomat ausgerüstet ist, wäre «programmiert“, eine bestimmte Route nach einem bestimmten Fahrplan zu befahren!

Der Mythos vom «genetischen Programm» ist in den 1960er Jahren entstanden. Ein halbes Jahrhundert später sind nicht wenige Biologen weiterhin fest von ihm überzeugt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Da ist als erstes der Vergleich mit den perfektesten damals entwickelten Maschinen, den Computern (die auch als «elektronische Hirne» bezeichnet werden); das ist ein Analogieschluss, der «genetisch bedingter Genialität» weite Wirkungsfelder verspricht. Dabei sollte auch nicht vergessen werden, dass gerade in angelsächsischen Ländern die für die protestantische Religion eine wichtige Rolle spielende Idee vom Auserwählt-Sein des Individuums solches Denken noch befördert. Und tatsächlich – in den 1980er und 1990er Jahren diente eine wahrhafte Mystifikation der DNA der Rechtfertigung konservativer Politik [7].

Anders, als François Jacob [8] behauptet, ist es nicht die Natur, die Lebewesen «zusammenbastelt». Vielmehr stellen Biologen zusammengestoppelte Theorien auf, auf deren wackligem Fundament sie an Lebewesen rumpfuschen, ohne wirklich zu wissen, was sie tun.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Anwendung der Populationsgenetik dazu beigetragen, die genetische Vielfalt von Nutzpflanzen und Haustieren beträchtlich einzuschränken, wovon allein Saatgutkonzerne und große Viehzuchtunternehmen profitieren.

Die in den 1990er Jahren beginnende Entwicklung genetisch veränderter Organismen erfolgt mit dem ausdrücklichen Ziel der vollständigen «Privatisierung des Lebens» unter Zuhilfenahme eines ganzen Arsenals von Gesetzes- und Normvorschriften. Was bedeutet das für uns Menschen? Selbst wenn die Verheißungen von «Gentherapien» nur die an sie Glaubenden zu entsprechenden Schritten verführen, kann die «diagnostische Medizin» schon jetzt, dank der Entschlüsselung des Genoms, den Leuten mit dem Gespenst einer «genetischen Prädisposition» für diverse Krankheiten Angst einjagen…

 

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Darwinismus, Genetik und Molekularbiologie werden auch als Ideologien verstanden. Das heißt aber nicht, dass es sich um völlig falsche Theorien handeln würde. Natürliche Auslese hängt ganz sicher von bestimmten Voraussetzungen ab, was aber nicht bedeutet, dass ausschließlich der auf Nahrungsknappheit beruhende Kampf ums Überleben die Verhältnisse von Lebewesen untereinander bestimmen würde [9]. Bestimmte Gene funktionieren natürlich gemäß den von Gregor Johann Mendel (1822-1884) entdeckten Gesetzen. Das ist jedoch meist nur in sehr einfachen Fällen nachgewiesen worden. Natürlich ist der Aufbau der Proteine in Genen verschlüsselt, es sind jedoch neue Mechanismen der Genexpression, der Steuerung von Genen und der Bildung von Proteinen entdeckt worden [10]. Etc.

Das Problem besteht also nicht darin, dass diese Theorien falsch sind, sondern dass dieser durch sie erfasste Zipfel Wahrheit das Phänomen Leben mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Ausschließlichkeit erklären soll wird. In der Tat sind Lebewesen so komplex, dass «eine große Zahl an Fakten» zur Untermauerung einer These zusammengetragen (wie es Darwin tat) und so der Glaube bestärkt werden kann, zu den «Geheimnissen des Lebens» vorgedrungen zu sein: für denjenigen, der nur mit einem Hammer umgehen kann, ist die Welt auch nur eine riesige Ansammlung von Nägeln… Und durch die zunehmende Spezialisierung in den Wissenschaften gerät die gesamlheit des Organismus, durch die ein jedes Lebewesen sich auszeichnet, immer mehr aus dem Blick.

In Wissenschaften mit ideologischem Anspruch (oder wissenschaftlichen Ideologien) sind Studien zu Lebewesen erheblich simplifiziert worden, indem alles ausgeschlossen wurde, was nicht in ihren Rahmen passte: die Begründer einer synthetischen Theorie der Evolution (die den Darwinismus mit der Genetik aus den 1940er Jahren vereint) z.B. haben sich gestattet, Physiologie und Embryologie großzügig zu übersehen; zudem ist die Biologie wohl die einzige Wissenschaft, die ihre «Dogmen» hat…

Vor allem haben diese drei wissenschaftlichen Ideologien eine gemeinsamkeit: Zellstoffwechsel und Physiologie der Organismen als aktive Determinanten auszuschließen und dafür greifbare Elemente in ihrer Funktion im Kommandosystemen zu betonen. Stoffwechselaktivität gerät zur Nebensache und wird simplifizierend als Ausführung von Befehlen des «Kontrollzentrums» in der lebenden Zelle (Zellkern, Erbgut, DNA) gesehen.

Erstaunlicherweise erinnert eine solche «Arbeitsteilung» an diejenige, die unsere hierarchischen Gesellschaften charakterisiert, wo Führungskräfte eine zentrale Rolle spielen, bedeutender und angesehener sind als das Fußvolk der Ausführenden…

 

 

 

Das Konzept der lebenden Maschine

Pichot zeigt also, dass die Biologie im Rückwärtsgang voranschritt: allgemeine Theorien über das Leben machten auf sich aufmerksam und haben Forschungen inspiriert, deren Ergebnisse in Wirklichkeit eine sehr eingeschränkte Gültigkeit dieser Theorien bewiesen. Anstatt Resultate genauer zu analysieren, ausgearbeitete Konzepte und Ideen zu diskutieren, blieben die Biologen lieber bei der Verschwommenheit ihrer Ideen und favorisierten Vorstöße zum eigentlichen Kern der lebenden Materie, um hier die ultimative Triebfeder allen Lebens zu finden. Unzählige Beobachtungen und nützliche Erkenntnisse wurden zusammengetragen, jedoch das Problem einer adäquaten Interpretation der Lebewesen im Rahmen einer in sich schlüssigen, den Forschungen als Leitfaden dienenden Theorie bleibt bestehen. Denn jetzt, da sich die DNA nicht mehr als entscheidende “Kommandozentrale” der lebenden Zelle erweist, werfen sich die Biologen auf die Kartierung des Epigenoms und des Proteonoms in der Hoffnung, dass die Pläne ihnen für die in dem Terrain stattfindenden Vorgänge ein tieferes Verständnis vermitteln…

Pichot analysiert in seiner letzten Arbeit [11] die Ausweglosigkeit, in die die moderne Biologie immer tiefer hineingerät: indem sie sich als streng mechanistisch versteht – in dem Sinne, dass es allein zwischen konkreten Elementen Beziehungen geben kann – hat sie sich in eine Konzeption der Analogie zur Maschine verrannt. Auch wenn kein Leben ohne funktionierende Mechanismen existiert, so ist ein Lebewesen in seiner organischen Ganzheit keinesfalls eine Maschine. Denn in einer Maschine sind die Verhältnisse innerhalb der Räderwerke ein für allemal fixiert und festgelegt, sie passierende Stoffflüsse können darin umgewandelt werden. Ganz anders dagegen ist in einem Lebewesen Materie so organisiert, dass es fähig ist, sich den passierenden Stofffluss einzuverleiben und sich dabei selbst zu erschaffen: die Verhältnisse zwischen den verschiedenen Elementen sind dynamisch, sie können sich verändern und neu zusammensetzen, um neue Organisation zu bilden. Dies ist insbesondere während der embryonalen Entwicklung und der Evolution zu beobachten.

Indem sie die Organisation von Leben einer Maschine gleichsetzt, hält die moderne Biologie eine statische Konzeption aufrecht: Jede Veränderung oder Entwicklung ist der Einwirkung von Faktoren geschuldet, die dem Leben äußerlich, unabhängig von seiner Eigenaktivität, ungewollt, beiläufig und zufallsbedingt sind. Die Bewahrung eines Lebewesens in seinem Dasein kann so als die Bewahrung seiner «Identität», das heißt der verschiedenen physiologischen Konstanten, seiner Strukturen und seiner genetischen Information begriffen werden. Das Lebewesen verbringt also seine Zeit damit, zu versuchen sich in einer feindlichen Umgebung zu bewahren, gegen schädliche Veränderungen seines Lebensmilieus und gegen andere Organismen anzukämpfen. In dieser rein reaktiven Konzeption von Leben, in der der Tod die entscheidende Rolle zu spielen scheint, wird jede positive und aussichtsreiche Entwicklung allein ein Zufallsprodukt bleiben.

Aber wenn «der Zufall nichts anderes ist als der Name, den wir unserer Unwissenheit geben» (Henri Poincaré), dann kann zugegebenermaßen die moderne Biologie Veränderungen von Leben nicht erklären.

 

«Die einfachste Lösung für diese Probleme wäre, zum Urgrund allen Lebens vorzudringen: Leben kann gedacht werden als Bewahrung eines Lebewesens in seinem Dasein […] In seiner Wirklichkeit ist ein Lebewesen außerordentlich unbeständig, es gleicht sich nie identisch, es wird geboren, entwickelt sich, altert und stirbt. Sein Leben ist ein ‚Parcours’, von der Geburt bis zum Tod und inmitten einer sich verändernden Umwelt. Und wenn es dennoch während dieses gesamten Parcours Es-Selbst bleibt, dann nur indem es zu keinem Zeitpunkt sich gleich ist, sich in ständiger Veränderung befindet. […]

Konkret heißt das, dass ein Lebewesen bei seiner Entwicklung (individuell oder als Spezies) das Spiel chemischer und physikalischer Gesetze in eine bestimmte Richtungen lenkt in Abhängigkeit von anderen Möglichkeiten, während zugleich die Umwelt sich in alle möglichen Richtungen entwickelt, die den vom freien Spiel nämlicher Gesetze bestimmten Verhältnisgrößen und herrschenden Gleichgewichten entsprechen.» [12]

Diese Konzeption der Nichtbeständigkeit und Dynamik führt uns zu einer originellen Definition von Leben:

«Leben wird also durch die Fähigkeit seiner Substanz definiert, sich als Gebilde zu konstituieren, das sich von dem unterscheidet, was gleichzeitig ein ihm äußerliches Milieu wird, mit welchem es wiederum in vielfältigen Austausch tritt (Stoff, Energie, Information). Dieser Austausch wird streng geregelt durch chemisch-physikalische Abläufe diesseits und jenseits einer Grenze, die Gebilde und äußerliches Milieu voneinander trennt (Grenze, die sich im Fall der Zelle als Zellmembran konkretisiert – Zelle als das einfachste Element, das dieser Definition entspricht).

All dies geschieht so, als würde ein Teil der Materie unabhängig vom Rest derselben werden; eine Unabhängigkeit, die nur relativ ist, denn zu jedem Zeitpunkt ist er nur in Rücksicht auf jenen Rest unabhängig, jedoch, das sei betont, in eben in dieser Bezogenheit bleibt benannter Teil der Materie unabhängig.

[Diese Definition zeigt] den besonderen Status der nichtreduktionistischen Biologie, wie wir sie anbieten. Dieser herausgehobene Status kommt natürlich daher, dass die Definition, auf die sie [die nichtreduktionistische Biologie] sich gründet, Leben sich durch sich selbst definieren lässt. Indem es sich selbst definiert, dringt Leben (als Begriff) in die Theorie der Biologie ein, die es nicht anders definiert, als es selbst dies leistet (und die also das äußere Lebensmilieu nicht anders definiert, als Leben selbst im Vorgang seiner Selbstdefinition).» [13]

Seitdem eröffnet diese mechanistische, doch nicht auf der Maschine basierende Definition, Möglichkeiten für eine großzügigere Konzeption von Leben: Lebewesen unterscheiden sich von unbelebter Materie und von Maschinen durch ihre Autonomie und Freiheit. Ein Lebewesen determiniert sich durch sich selbst: es genügt sich nicht selbst (Definition der Autarkie), ist aber dazu fähig, physikalisch-chemische Phänomene in bestimmte Richtungen zu lenken und indem es dies tut – ohne dies bewusst und durchdacht zu vollführen, was für die große Mehrheit der Spezies gilt [14] – gibt es sich seine eigenen Verhaltensregeln (Definition von Autonomie). Diese Autonomie bedeutet, dass es einerseits bezüglich einfacher und charakteristischer Elemente vom Lebensmilieu abhängig ist. Bei entsprechender Bevorratung ist das Lebewesen andererseits jedoch von den allgemeinen Bedingungen seiner Existenz unabhängig. Davon ausgehend entfaltet sich seine Lebensaktivität in Formen (bei Pflanzen) oder in Verhalten (bei Tieren).

Lebewesen sind weit davon entfernt, simple Spielzeuge äußerer Umstände, des Zufalls und der Notwendigkeit [15] zu sein, im Gegenteil: In Anbetracht ihrer autonomen Aktivität sind sie vollwertige Subjekte, das heißt in gewisser Weise dazu fähig, ihre Geschichte selbst zu gestalten. Das Leben ist Akteur und Gestalter seiner eigenen Entwicklung.

 

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Um der irreführenden Betrachtungsweise von Lebewesen als Maschine zu entkommen ist, es also notwendig, bis an den Punkt zurückzugehen, an dem der Fehler entstanden ist, um aus der Sackgasse herauszukommen und eine andere, fruchtbarere Richtung einzuschlagen. Dafür ist es aber nicht notwendig, auf die Naturtheologie zurückzugreifen, gegen die Darwin opponierte, sondern eher auf andere Vorstellungen von Leben, die es im 18. Jahrhundert reichlich gab.

Ohne Zweifel war es René Descartes (1596-1650), der die These vom Lebewesen als Maschine verbreitet hat [16]. Aber es handelt sich für ihn tatsächlich nur um eine vorläufige Hypothese, die er vorlegte, um die Physiologie im Erwachsenenstadium zu erklären. Dennoch, in der Weiterführung seiner strikt materialistischen Herangehensweise hat Déscartes auch eine regelrecht mechanistische Embryologie präsentiert. In seinen Ausführungen spielen nur die Materie und deren Bewegungen eine Rolle. Sie ist regelrecht «epigenetisch»: der Körper entsteht nach und nach mit Hilfe der Bewegung von Flüssigkeiten, allen voran des Blutes, sowie durch Herausfiltern und Einlagern von Materie. Descartes beschreibt einen Strudel von Materie in dem sich der Körper bildet, wie wenn das rieselnde Blut sich immer mehr kanalisieren und organisieren würde. Dieses Zirkulieren von Flüssigkeiten lässt die Gefäße entstehen, die wiederum diese Zirkulation kanalisieren und zusammen filtern diese Gefäße die Flüssigkeiten, um so die Organe durch Ablagerung von Materie entstehen zu lassen. In dem sie sich verfestigt, gibt die Materie den Organen ihre Form. Diese verbessern wiederum die Zirkulation der Flüssigkeiten und kanalisieren sie in die verschiedenen Richtungen, bis der ausgewachsene Organismus fertig ist [17].

Descartes gelingt es jedoch nicht, seine Embryologie mit seiner Physiologie in Einklang zu bringen, er hat diese allzu gegensätzlich ausgeführt. Einzig seine These vom Tier als Maschine wird sich halten, denn sie ist vereinbar mit einer Art von «Höherem Mechanikerwesen», seine Embryologie gerät in Vergessenheit. Die Vitalisten werden andere Theorien entwickeln, in denen sie sich dem Einbezug eines göttlichen Eingreifens verweigern. Sie bevorzugen die Idee der autonomen Aktivität eines Lebewesens in Form einer «vitalen Kraft», einer physischen Kraft, vergleichbar mit der allgemeinen Schwerkraft, die jedoch nur den Lebewesen zu eigen ist.

«Sicherlich erklärt das Prinzip der vitalen Kraft nichts Wesentliches, es weist uns lediglich darauf hin, dass wir nicht alles wissen, während diese ganze mechanistische Sichtweise dazu dient, diese Tatsache zu vergessen.»

Henri Bergson, Schöpferische Evolution, 1907.

Die Biologie als selbständige Wissenschaft

Im Jahre 1802 erschafft Jean-Baptiste Lamarck die Biologie als selbstständige Wissenschaft und unterscheidet sie damit nicht nur von der Physik und Chemie, sondern auch von der Artenlehre, der Anatomie, der Physiologie und der Medizin. Diese Biologie hat zum Ziel, den gemeinsamen Charakter von Tieren und Pflanzen zu studieren. Dieser Charakter unterscheidet diese grundsätzlich von unbelebten Objekten, mit denen sich die Physik beschäftigt. Für ihn besteht die Eigenheit eines Lebewesens im Vergleich zu unbelebten Objekten darin, dass die Dinge eine gewisse Ordnung haben, dass ihre Materie auf eine ganz gewisse, nur ihnen eigene Weise organisiert ist. Er stellt sich damit in Opposition zu den Vitalisten, denn für ihn ist die «vitale Kraft» eine Konsequenz dieser Ordnung – die seine Biologie zu ergründen und zu verstehen sucht – und nicht das, was auf unbekannte und rätselhafte Weise diese Ordnung schafft.

Anfang des 19. Jahrhunderts nimmt Lamarck die Embryologie von Descartes wieder auf und ergänzt sie mit den physiologischen Erkenntnissen des 18. Jahrhunderts. Dadurch erarbeitet er eine Theorie der lebendigen Körper, welche die Ungereimtheiten bezüglich der Lebewesen als Maschine, wie bei Descartes sowie der Vitalisten seiner Zeit, überwindet. Für Lamarck ist der ausgewachsene Zustand eines Organismus nicht starr, sondern immer noch angetrieben durch die Dynamik der Flüssigkeiten, welche Descartes bereits in der embryonalen Entwicklung beschrieben hat. Diese Dynamik verlangsamt sich zwar und wird starrer, aber sie setzt sich fort und entwickelt sich auch im Laufe der Generationen [18].

Lamarck ist somit der Erste, der eine Theorie des Lebewesens vorstellt, eine physikalische Theorie, die dessen Organisation und dessen Phänomene bei gründlicher Beobachtung erklärt. Die autonome Aktivität, die den Lebewesen eigen ist, hat außerdem als logische Konsequenz die Evolution der Arten zur Folge, die er als zwei generelle Tendenzen versteht: Die Erhöhung der Komplexität eines Lebewesens durch den Einfluss der inneren Dynamik und die Diversifizierung der Erscheinungsformen durch den Einfluss äußerer Umstände [19]. Pichot ist der Meinung, dass man wieder von den theoretischen Ansätzen Lamarcks ausgehen sollte:

«Tatsächlich findet man bei Lamarck zum ersten Mal ein Verständnis des Lebens, welches dessen Einzigartigkeit im Vergleich zum Unbelebten anerkennt, ohne deswegen dieses den physikalischen Gesetzen zuwider zu laufen zu lassen. Man hätte erwarten können, dass eine Biologie, die sich wissenschaftlich, materialistisch und experimentell nennen will, sich nach diesem Konzept entwickeln würde. Die Geschichte wollte es aus verschiedenen Gründen jedoch nicht so.»

A. Pichot, Histoire de la notion de la vie, 1993.

Es ist natürlich notwendig, die Theorien Lamarcks zu vervollständigen und sie um inzwischen gewonnene Erkenntnisse zu ergänzen, wie es Pichot getan hat:

«Eine Schlussfolgerung aus diesem Werk ist, dass es sich lediglich darum handelt, einige mögliche Wege aufzuzeigen wie die Biologie zu einer Wissenschaft werden kann, die das Leben studiert und nicht nur das Material aus dem die Lebewesen gemacht sind. Es gibt mittlerweile mathematische und physikalische Werkzeuge, die dies ermöglichen. Im Gegensatz dazu ist die Geschichte der Biologie noch nicht zu Ende geschrieben, was die Stagnation in der Theorie bei Molekularbiologie vermuten lässt.»

A. Pichot, Éléments pour une théorie de la biologie, Maloine verlag, 1980.

Pichot ist allerdings nicht sehr optimistisch dass er es schafft, die Gemeinschaft der Biologen hinter seiner Sichtweise zu vereinigen. Am Ende seiner Werke zitiert er eine seiner ironischen Bemerkungen:

«Wenn eine Theorie, eine Doktrin oder eine Praxis Tausenden von Wissenschaftlern ein Auskommen bietet und einfachen Kriterien genügt, die bürokratisch, d.h. durch Artikel in Fachzeitschriften usw. belegbar sind, sind diese ohne (kritische Hinterfragung)mögliche Infragestellung als wissenschaftlich zu bezeichnen.»

A. Pichot, Histoire de la notion de gène, 1999.

Tatsächlich ist von der Gemeinschaft der Wissenschaftler nicht mehr viel zu erwarten, sie ist zu verknöchert geworden und korrumpiert. Verknöchert durch den Konformismus was die «Dogmen» betrifft. Gemeint sind hier die vorherrschenden Theorien, die den Rahmen für jegliche Forschung festlegen. Verknöchert geworden durch die Überspezialisierung und die Faszination für digitale Modelle, wobei die Computersimulationen das Nachdenken und Begreifen der Wirklichkeit in seiner Verschiedenheit und Einzigartigkeit ersetzt. Vor allem ist sie verdorben durch die Faszination der Macht, die Wissen bedeutet. Somit arbeiten die Wissenschaftler völlig losgelöst von den Bedürfnissen des Rests der Gesellschaft an der Enteignung des Individuums zugunsten der grossen Körperschaften wie Staatsmacht, Militär, Großkonzerne. Wissenschaft als einfache Form von Kenntnis hat sich zu einer Technologie neuer Herrschaftsformen gemausert.

«Als soziale Gruppe (die Wissenschaftler) haben sie trotz ihrer ganzen Wissenschaft nicht mehr Durchblick geschaffen als andere soziale Gruppen. Man könnte sogar sagen, dass sie mehr als andere soziale Gruppen das Gegenteil von Durchblick darstellen, nämlich Verschleierung. Dies ganz einfach, weil die Entwicklung der modernen Gesellschaft sie ins Zentrum der Macht befördert hat. Dieser Tatsache wollen sie sich nicht stellen und sagen sich von jeglicher Verantwortung für die politische Anwendung ihrer “absoluten Wahrheiten” los.»

Aurélien Berlan, La fabrique des derniers hommes,retour sur le présent avec Tönnies, Simmel et Weber, éd. La Découverte, 2012.

Pichot geht in seinen Schriften nicht so weit, macht sich aber in Bezug auf den Scharfblick seiner Kollegen keine Illusionen:

«Die scherzhafte Bemerkung von René Thom ist aktueller denn je: ‚In der Biologie könnte es nötig sein nachzudenken.‘ Sogar eher zweimal als nur einmal: darüber was man macht und einmal darüber was das für Konsequenzen haben kann.»

A. Pichot in der Zeitung Le Monde von 1997.

Mangels theoretischer Reflexion in der Biologie besteht keinerlei Aussicht auf eine Synthese oder eine Übersicht. Aber wer von den heutigen Wissenschaftlern macht sich noch einen Kopf über Fragen der Naturphilosophie?

 

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Die Erkenntnisse über das Leben an sich betreffen uns mehr als alles andere, da wir selbst Lebewesen sind. Zu wissen, was Lebewesen sind, heißt auch, mehr über uns selbst zu erfahren, besser den Platz des Menschen in der Natur und im Kosmos zu erfassen. Die Biologie hat sich also auch immer mit sozialen und politischen Problemen befasst. Viele Ideologien und Herrschaftsformen haben Wissenschaft und «Naturgesetze» benützt, um Umstürze zu rechtfertigen oder im Gegenteil an der herrschenden Ordnung festzuhalten. Allen gemeinsam war, dass aufgrund ihrer «wissenschaftlichen» Erkenntnisse über die «menschliche Natur» [20] die soziale Frage auf eine einfache technische Problematik zurückzuführen sei.

Rentabilisierung der Wesen

Das heutige Verständnis der Lebewesen als Maschinen ist untrennbar damit verbunden, dass wir in einer kapitalistischen und industriell geprägten Gesellschaft leben. Pichot ist sich dieses Problems bewusst. Hier der Schluss aus seinem Werk über die Geschichte der wissenschaftlichen Theorien der Eugenik und des Rassismus:

«In den Bereichen Gesellschaft und Politik haben Genetiker nichts zu suchen, die Kommentare und Empfehlungen sollten von Politik- und Rechtsphilosophen kommen. Da diese schweigen und das Terrain an die Biologen abgeben, was sie keinesfalls tun sollten, wage ich, an ihre Stelle zu treten. Ich behaupte, auch wenn die objektiven Qualitäten (sowohl physisch als auch intellektuell) der Menschen verschieden sein können, sei es durch Vererbung oder Aneignung, erreicht dies nicht die Menschen in ihrem Wesen, denn diese Menschen lassen sich nicht zu einer Gesamtheit von objektiven Qualitäten reduzieren. Sie sind keine Objekte, keine menschlichen Ressourcen, mit denen man die Rentabilität oder den Beitrag zum Fortschritt misst. So gesehen sind sie nicht gleich und nicht verschieden, sie sind unvergleichbar. Und weil sie unvergleichbar sind, sind sie alle gleich, aber diese Gleichheit lässt sich nicht messen oder vergleichen, sie basiert auf Würde und Recht.»

A. Pichot, La société pure, de Darwin à Hitler, 2001.

Nur ist es so, dass in den industrialisierten, kapitalistischen Gesellschaften das menschliche Wesen immer mehr als «menschliche Ressource» für die großen Körperschaften gesehen wird, seine objektiven Qualitäten werden immer stärker evaluiert und das Leben messbar und sichtbar gemacht, um den Beitrag eines jeden Individuums zum Fortschritt, zur Innovation und zur Rentabilität zu erfahren. Allein das Prinzip der Lohnarbeit neigt dazu, das menschliche Wesen zu einer Art Maschine zu reduzieren, die sich mit Hilfe von allerhand technologischen Prothesen an die Vorgaben des wirtschaftlichen Fortschritts anzupassen hat.

Aus diesem Grund tragen wir zum erneuten Aufkommen der Eugenik bei, diesmal nicht von Staates wegen, sondern für den Markt. Individuelle Eugenik in Form vom «Kind nach Maß» und ohne Fehler, die Wissenschaft begleitet die Fortpflanzung und garantiert den Gewinn aus der «elterlichen Investition».

Es gibt außerdem die Erscheinung des «Post- oder Transhumanismus», des optimierten Menschen, die in den Sphären der Macht einen größer werdenden Einfluss hat. Es sind wirre Ideen von der Verbindung zwischen Mensch und Maschine [21]. Diese ultra-wissenschaftlichen Ideologien zeigen nicht nur auf, dass der Mensch der perfektionierten Maschine unterlegen ist, ja dass der Mensch in der Industriegesellschaft überflüssig wird [22]. Sie behaupten auch, dass die Dominanz der Technik über den Menschen ein nötiger Fortschritt ist, eine unvermeidbare Form der biologischen Evolution, in deren Kampf ums Überleben unsere Art verstrickt ist. Diese Ideologien sehen die Maschine als nächstes Stadium der Evolution, dazu bestimmt, den Menschen zu verdrängen.

«Selbst wenn der Mensch für die Maschinen zu dem wird, was Hunde und Katzen für uns sind, wird er trotzdem weiterleben. Als Haustier unter der wohlwollenden Herrschaft der Maschinen wird er vermutlich besser leben als in der Wildnis, in der er sich aktuell befindet. […] Man kann davon ausgehen, dass uns die Maschinen wohlwollend behandeln werden, denn ihre Existenz hängt aus nachvollziehbaren Gründen von der unseren ab. Sie werden uns mit eiserner Hand regieren, aber sie werden uns nicht fressen.»

Samuel Butler, Erewhon, 1870.

Science fiction?

Eine pragmatischere Version dieser die Schöpfung konkurrierenden Projekte, die bei den Mächtigen genauso in Mode ist, ist die synthetische Biologie. Sie hat den Ehrgeiz, lebende Organismen zu kreieren, die eine bestimmte Funktion erfüllen, ähnlich wie Ingenieure Maschinen für eine ganz bestimmte Aufgabe entwickeln. Zurzeit sind das noch hauptsächlich umprogrammierte Bakterien, die im Rahmen eines gesamten Engineerings zur Herstellung von komplexen Molekülen, wie etwa bei Brennstoffen oder Medikamenten, dienen. Das sind vorläufig noch «Laborspielchen» und meist noch weit von einer industriellen Nutzung entfernt. Wenn man die Summen ansieht, die Staaten und große Unternehmen in solche Forschungsprojekte stecken, scheint es einiges allerdings ernst damit zu sein.

In einem kürzlich erschienenen Dokumentarfilm [23] erklärt ein gewisser Philippe Marlière, der wichtigste Wortführer dieser Technowissenschaftsszene in Frankreich:

«Es ist eine Revolution : Anstatt zu versuchen, die bestehenden Lebewesen zu verstehen, […] sind wir bestrebt, neue zu konstruieren, zu erschaffen.» [24]

Etwas später hört man auch:

«Die Revolution geht nicht von den Wissenschaftlern aus, sondern von den Ingenieuren […], die imstande sind, lebendige Maschinen zu erfinden und herzustellen, ohne Spezialisten für Biologie zu sein.»

Anders gesagt ist das, was uns hier als unwiderstehliche Kraft der synthetischen Biologie vorgeführt wird, nichts anderes als die totale Missachtung, ja Verachtung [25] gegenüber der Natur der Lebewesen!

Ins selbe Horn blies Geneviève Fioraso [26], ehe sie in Frankreich Ministerin für Wissenschaft und höhere Bildung wurde. 2012 hat sie einen Report über die Herausforderung der synthetischen Biologie herausgegeben. Ein Kapitel darin trägt den Titel: «Die Komplexität des Lebendigen, ein Schloss, das es für die synthetische Biologie zu knacken gilt». Das Lebendige ist tatsächlich viel zu komplex, verglichen mit dem Modell des maschinellen Lebewesens, das der modernen Biologie vorschwebt. Die synthetische Biologie hat also den Ehrgeiz, endlich Wesen zu schaffen, die der Vorstellung der kapitalistischen und industrialisierten Gesellschaft entsprechen. Die Natur hat sich den Vorstellungen der Forscher und Investoren um jeden Preis unterzuordnen. Was für tödliche Technologien werden aus diesen Laboren kommen? Was für neuerliche Enteignungen und Schäden werden durch ihre vermehrte Anwendung auf uns zukommen? [27]

Raus aus der Sackgasse

Hier kommen wir ans Ende der Sackgasse, die das Verständnis des Lebewesens als Maschine darstellt. Vielleicht wäre es an der Zeit, hier das Fortschrittsdenken zu beenden und einen Schritt zurück zu tun, raus aus dieser düsteren Form von Wissenschaft und hin zu einer farbigeren und großzügigeren Sicht auf das Leben. Finden Sie nicht?

André Pichots «historische Diagnose» der modernen Biologie ist also richtig, bleibt aber ohne Handlungsaufruf [28]. Leider führt seine Analyse nicht über die oben erwähnten Feststellungen hinaus und seine Ausführungen berühren die Frage der sozialen Emanzipation nur am Rande. Er hat jedoch die Basis für ein neues Verständnis des Lebens gelegt und für ihn gibt es nur den von ihm aufgezeigten Weg, den die Forschung in Zukunft gehen kann. Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass die von Pichot aufgezeigte Kritik am Lebewesen als Maschine neue Perspektiven aufzeigt, die industrialisierte, kapitalistisch organisierte Gesellschaft in Frage zu stellen.

 

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«Für den entscheidenden Unterschied zwischen Erkenntnis durch Denken und wissenschaftlicher Vorgehensweise gibt es tiefere Ursachen […].Eine untrennbare Verbindung besteht zwischen der Entwicklung in den Wissenschaften und der Entfaltung der Urteilskraft, was aber heisst, dass abgesehen von einer positiven Sinngebung für letzteren Begriff, Fortschritt zu hinterfragen ist. Tatsächlich kann Fortschritt als Vordringen von Vernunft im geschichtlichen Prozess gesehen werden, bei dem die praktische Anwendung von Wissenschaft eine Rolle spielt. Dieser werden ja von den Jüngern des Fortschritts generell positive Wirkungen zugeschrieben. Dabei bildet die Frage der Entfaltung von Urteilskraft den Kern des historischen Erkenntnisprozesses: Sie ist dessen zentrale Problematik, die einschliesst, dass dabei auch negative Effekte aufscheinen, die eine von Wissenschaft beeinflusste Gesellschaft beherrschen können. In der Tat bringt, der historische Erkenntnisprozess unweigerlich ein grundsätzliches Infragestellen der Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft mit sich.» [29]

Kapitalismus selbst kann als Anwendung wissenschaftlicher Methoden in grossem Umfang auf die Gesellschaft verstanden werden: mit ihm ist die Gestaltung der Gesellschaft reduziert auf ihre Grundbestimmungen, das heisst ihre rein materiellen Funktionen – Produktion und Verteilung der Güter – Funktionen, denen der Rest sich unterzuordnen hat: alle Lebewesen und die gesamte belebte Natur. Zudem hat sich der Kapitalismus entwickelt, indem er den gesellschaftlichen Organismus insgesamt auf eine Ansammlung von atomisierten Individuen reduzierte. Ihnen wurde jede Macht über ihre Existenz, jeglicher Zugang zu Material und Energie, unumgänglich für den Betrieb ihrer Maschinen und industriellen Anlagen, genommen. Wissenschaftliche Methodik hat nicht nur der Ideologie vom sich selbst regulierenden Markt für den Austausch abstrakter Warenwerte [30] Atem eingehaucht sondern hat auch dessen Realisierung wesentlich vorangetrieben durch die Entwicklung von Maschinen und Technologien, von Ökonomie und Industrie.

Die Maschine steht heute im Zentrum unserer Welt, um sie dreht sich alles, sie ist in aller Munde, ist Leitbild, Sinn und Zweck. Und welche «Naturphilosophie» haben wir dagegen aufzubieten, wenn ihrerseits die Staaten in Geldwert bestimmen, was «die Natur für die Wirtschaft an Diensten erbringt» [31], und viele Umweltschützer innen darin nicht mal einen Skandal sehen?…

Emanzipatorische Instrumente

Wenn, isoliert betrachtet, Phänomene des Lebens in ihrer Fülle von Verknüpfungen sich nach den Prinzipien der Maschine in den ihr eigenen Ausmassen zu richten scheinen, so ist doch, wie Pichot zeigt, die das Leben bestimmende Logik eine völlig andere. Die Maschine also sollte dem Gesetz des Lebens untergeordnet sein und nicht das Leben der tödlichen Logik der Maschine. Es liegt also ausschliesslich in der Hand des Menschen, nicht nur die Funktionen von Maschinen zu beherrschen, sondern sich diese für seine ureigensten Zwecke nutzbar zu machen, sie zu einem wahrhaft emanzipatorischen Instrument werden zu lassen. Menschliches Handeln darf sich nicht nach dem Vorbild der Maschineausrichten, menschliche Existenz und alles ihn umgebende Leben sich nicht in ein Modell in ihr suchen.

Denn auch wenn noch nie soviele Maschinen unser tägliches Leben bestimmten, so sind wir doch weit davon entfernt, sie unseren Zwecken unterzuordnen. Wir sind im Gegenteil deren willfährige Sklaven (siehe Auto und Handy) und durch jedes Einzelexemplar hindurch die des Wirtschaftssystems, das sie erzeugt und funktionieren lässt.

Dies sind Gemeinplätze, Selbstverständlichkeiten, die ins Auge springen, doch man sieht sie nicht. Der Grund dafür ist, dass die Maschine Produkt wissenschaftlicher Verfahren ist, sie wurde stets mit der auf einem Auge blinden wissenschaftlichen Methode betrachtet, wie ein simples und selbstverständliches menschliches Konstrukt, ein materieller Gegenstand, der im eigentlichen Sinne passiv und unserem Willen unterworfen ist. Denn freilich sind es Menschen, die Maschinen ersinnen, bauen und in Funktion setzen, andernfalls hätten letztere sowieso keine autonome Wirksamkeit, kein Eigenleben. Aber von dem Moment an, da die Maschine in ein Gefüge von sozialen Beziehungen eintritt, erlangt sie autonome Wirksamkeit, ihr Eigenleben wird somit vom Zeitaufwand und der Energie genährt, welche Menschen ihr widmen. Je mehr wir in unserer Existenz von Maschinen abhängen, um so mehr verinnerlichen wir ihre Prinzipien und ihre Logik, um den zwingenden Notwendigkeiten für deren Funktionieren gerecht zu werden. Wir gestalten unsere Lebensräume und unser soziales Leben entsprechend den Bedürfnissen der Maschinen, damit sie störungsfrei und weitgehend ohne menschliches Zutun funktionieren können. Im Zuge ihrer Perfektionierung übernehmen sie in immer grösserem Umfang Arbeiten, ihr Anteil an der Produktion unserer Existenzbedingungen steigt und unser gesamtes soziales Leben sowie die natürlichen Grundlagen, von denen es abhängt, werden zunehmend ökonomischen und technischen Effizienzprinzipien untergeordnet.

Damit die Maschine aber umgekehrt unseren Zwecken dient würde erfordern, dass an ihre Stelle nützliche Instrumente für die Produktion unserer Existenz gesetzt werden. Dies würde zur Reorganisation der Gesamtheit der Gesellschaft führen, was kollektive, soziale, politische Souveränität und Souveränität über die Produktionsmittel einschliessen würde. Und wahrscheinlich auch die Rückkehr zu einfacher handzuhabenden Maschinen sowie leichter von Kollektivverbünden zu erlernenden Techniken, als die der Atomindustrie beispielsweise…

Die allgemeine Tendenz zum Komplexerwerden von Lebewesen im Verlauf der Evolution durch das Hervortreten von «vielgestaltigeren Organen und ausserordentlicheren Fähigkeiten» (Lamarck) kann als Produkt eines Dranges von Organismen gedeutet werden hin zu zunehmender Autonomie gegenüber Zufälligkeiten des Lebensmilieus (während die Diversifizierung der Arten aus der Anpassung und Spezialisierung infolge ihrer Lebensverhältnisse resultiert).

Das menschliche Wesen ist an kein spezielles Lebensmilieu angepasst, es hat sämtliche kolonisiert, in jedem davon sehr unterschiedliche Lebensweisen und Kulturen entwickelt und mit der in Jahrtausenden betriebenen Landwirtschaft und Tierzucht Pflanzen, Tiere und die ihn umgebende Natur tiefgreifend umgestaltet. Diese zunehmende Umgestaltung von den Lebensumständen, die sich früher durch das Komplexerwerden von sozialem Leben und Kultur entwickelte, hat bestimmte Zivilisationen nunmehr soweit gebracht, ihren ureigensten Existenzbedingungen Schaden zuzufügen [32]. Und bedroht aktuell, dank der Wissenschaft und ihrer Anwendungen, dank der globalisierten und industrialisierten kapitalistischen Gesellschaft, die Lebensbedingungen unseres Planeten [33].

Die Dynamik der Warenwirtschaft beruht auf der Zerstörung aller Lebensbedingungen mit dem Ziel, die für das menschliche Leben notwendigen «materiellen Güter und Dienstleistungen» gänzlich in Waren zu verwandeln. Dabei wird die Freiheit jeglichen positiven Inhalts (sich ein Ziel im Leben setzen und Mittel zu seiner Realisierung finden) beraubt und das Individuum auf ein Ideal von Freiheit reduziert, das im Konsum von Waren Erfüllung findet:

«Freiheit kann darin bestehen, mit Personen in Beziehung zu treten, mit denen das Leben kollektiv organisiert werden kann anstatt mit einem anonymen System, auf das niemand Einfluss hat.» (Aurélien Berlan, siehe 27)

Anders ausgedrückt sind Lebewesen, die ihre Fähigkeit zu autonomer Lebensgestaltung auf ein sehr hohes Niveau getrieben haben durch das kapitalistische System dazu gebracht worden, diese ihnen eigene Aktivität an einen Maschinenpark und an Vorrichtungen zu verlieren, die eine beispiellose Verschlechterung der allgemeinen Bedingungen autonomer Existenz auf Erden hervorrufen. Das Subjekt selbst, zum höchsten Niveau von Autonomie gelangt, wobei es sein Handeln auf die Maschine gerichtet und nicht am Leben orientiert hat, ist dabei, die Fähigkeit zu autonomer Lebensgestaltung völlig zu verlieren.

Derart stellt sich der zentrale Widerspruch unserer Zeit dar.

 

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Die moderne Biologie ist Reflex ebenso wie Produkt dieser noch nie in der Geschichte von Leben auf Erden dagewesenen Situation: sich nicht um die Definition ihres «Gegenstandes», nämlich was ein Lebewesens ausmacht, kümmernd, trägt sie aktuell zur Negation autonomer Existenz von Leben bei.

In der Tat haben Biologen uns nichts mitzuteilen über die Stellung des Menschen in der Natur: indem sie das Gegenteil von dem sagen, was Kreationisten behaupten, beschränken sie sich darauf zu wiederholen, dass der Mensch «Produkt von Zufall und Notwendigkeit» ist, Zufall genetischer Veränderungen und Notwendigkeit natürlicher Auslese – eine Art Zufall ins Quadrat erhoben [34]. Es ist eben gar nicht nötig, an Gott zu glauben oder Theologie studiert zu haben (wie Darwin), um den tieferen Sinn der schönen Formulierung des anarchistischen Geographen Elisée Reclus (1830-1905) zu begreifen:

 

L'homme est la nature prenant conscience d'elle même
L’homme est la nature prenant conscience d’elle même

Der Mensch ist die sich selbst bewusst werdende Natur.

Élisée Reclus, L’homme et la Terre, 1905.

Reclus zeigt damit genau auf, was die Besonderheit des menschlichen Wesens ausmacht, nämlich das Gewissen und die Verantwortung, die sich daraus ergeben. Wir bewohnen die Welt nicht nur, sondern sind uns auch bewusst, dass wir diese bewohnen und daraus resultiert eine Verantwortung sie zu unserer Welt zu machen.

Dies ist gewiss eine gewichtige und schwer zu erfüllende Aufgabe. Dabei handelt es sich nicht um eine wie auch immer gestaltete Berufung des Menschen durch eine höhere Macht und noch weniger um eine grundsätzliche menschliche Eigenschaft, der zum Durchbruch verholfen werden muss. Die Religion hat hier zweifellos die Stellung des Menschen als Zentrum der Schöpfung überhöht, indem sie diese mit göttlichem Willen und der Vorsehung erklärt hat. Es ist allerdings auch ein Irrtum, zu denken, dass wenn man diese religiöse Interpretation ablehnt, betreffe dies auch die entsprechenden Ansprüche an die Stellung des Menschen.

Es handelt sich nämlich einfach um eine ganz konkrete Notwendigkeit, die sich aus unserer Eigenschaft als Wesen ergibt, das sich seiner Existenz auf Erden bewusst ist. Wenn der Mensch auch nicht mehr die Krone der Schöpfung ist – was auch immer man unter dieser Krone verstehen mag – so steht er doch immer noch im Zentrum dessen, was er selbst hervorbringt. Kurz gesagt ist es eine Tatsache, dass wir im Zentrum unserer Welt stehen. Unsere Existenz auf Erden fordert gewisse Dinge ein, wir haben aber alle Freiheit, diese nach unserem Geschmack zu gestalten. Darin eingeschlossen ist natürlich auch das Risiko zu scheitern oder auf den Holzweg zu geraten.

Leider scheint letzteres gerade vor unseren Augen zu passieren. Die ganzen Wortführer der modernen Welt, im speziellen die Wissenschaftler, propagieren, unter dem Vorwand, den Anthropozentrismus zu bekämpfen, dass der Mensch in seiner Funktion veraltet ist. Sie verneinen auf diese Weise die ganz konkreten Bedürfnisse, die die Stellung des Menschen hervorbringt. Sie wollen nichts wissen von Verantwortung und Gewissen und wollen keine lebenswerte Welt schaffen. Dies allerdings alles nicht zu wollen und dennoch weiter auf dieser Welt, so wie sie ist, weiter zu leben, schafft auch wiederum eine Welt. Es ist eine Welt die nicht die unsere ist, die uns immer fremder oder sogar feindlicher wird. Es ist eine Welt, die nach der Logik der Maschine und nicht nach der Logik des Lebens organisiert ist.

Die Vorgehensweise der Wissenschaft hat sich durch und für die Physik entwickelt und die Ideologie des wirtschaftlichen Liberalismus inspiriert, um dann die Basis für den industriellen Kapitalismus zu werden, in dem die Produktion und die soziale Organisation rationalisiert werden konnten. Die moderne Biologie hat wie viele andere Wissenschaftszweige das Denkmodell der Physik übernommen. So ist logischerweise dem Modell des Lebewesens als Maschine nach einigem Auf und Ab letztendlich der Durchbruch gelungen.

Um aus der Sackgasse dieser lebensfeindlichen Anschauung über Lebewesen als auch über das soziale und politische System hinauszukommen, scheint es mir unabdingbar, eine neue Anschauung über das Leben zu erlangen. Eine neuartige Biologie, basierend auf der Anerkennung der Autonomie des Lebens und eine Naturphilosophie, die die angesammelten Erkenntnisse der klassischen Wissenschaften mit der logischen Dialektik des Lebens vereint.

Ich glaube, dass das Bescheid wissen über das Leben uns dabei helfen kann, ein Bewusstsein darüber zu entwickeln, was der Begriff Autonomie wirklich bedeutet, und zwar sowohl bezogen auf unser Verhältnis zur Natur, als auch auf das soziale Verhalten. Dabei geht es in keinster Weise darum, hiermit irgendwelche Naturgesetze zu bemühen, welche politische Perspektiven aufzeigen sollten.

Die Idee eines Gesetzes in der Wissenschaft oder einer Ordnung in der Gesellschaft suggeriert ein für allemal festgelegte und unumstössliche Beziehungen zwischen Dingen oder Wesen, so wie man es an Maschinen sehen kann. Die Idee der Autonomie beinhaltet nun aber genau das Gegenteil: das Lebewesen kann nur in dem Masse existieren und weiter bestehen, wie es imstande ist, die speziellen Beziehungen, durch die es seine Unabhängigkeit bewahrt, immer wieder neu zu definieren. Die Wissenschaft kann Naturgesetze nur im Bereich der Physik formulieren, wo es sich um starre und leblose Objekte handelt. Bei allem, was darüber hinausgeht, von der Biologie bis zur menschlichen Gesellschaft und Geschichte, geben die Widersprüche den Ton an. Das Lebewesen entwickelt sein Erscheinungsbild anhand einer dialektischen Logik, bei der sich die Notwendigkeit der Freiheit der autonomen Subjekte unterordnet.

In dem Masse wie die Physik, die Wissenschaft der unbelebten Objekte, die Basis für den industriellen Kapitalismus geschaffen hat, so kann die moderne Biologie und eine richtige Naturphilosopie eine Basis für eine Gesellschaft schaffen, die frei von Herrschaft und sozialer Ausbeutung ist. Es müsste eine Biologie sein, die die Lebewesen ins Zentrum ihres Interesses stellt und damit den Menschen in seiner Unabhängigkeit und Freiheit. Anstatt immer danach zu streben, die körperliche Arbeit an Maschinen und grosse unpersönliche Organisationen zu delegieren, könnten wir auf diese Weise die Weltproduktion und unsere Existenz zu einem Werk unserer Hände werden lassen [35].

Eine neue Sicht auf die Welt und eine neue Sicht auf das Leben können jedoch alleine nichts bewirken. Um etwas zu verändern, bedarf es sozialer Kräfte, die solche Ideen in die Realität umsetzen können. Anders herum, wenn man sich lediglich darauf beschränkt, alles abzulehnen ohne neue Denkmuster anzustreben, wird jede Aktion von vornherein dieselben Muster und todbringenden Ideologien reproduzieren. Solange die Probleme aus dem althergebrachten Blickwinkel und mit den Wertvorstellungen des Systems, das sie hervorgebracht hat, betrachtet werden, wird sich nichts ändern. Beispiele dafür sind die Unfähigkeit eines Teils der Umweltbewegung, eine kritische Sicht auf die Welt zu vermitteln und die Art und Weise, wie die grossen Unternehmen und der Staat sich das Thema Ökologie unter den Nagel gerissen haben.

Eine Sicht auf das Leben, die dessen Einzigartigkeit anerkennt kann, in vielerlei Bereichen neue Perspektiven eröffnen. Eine Neudefinition der Beziehung zwischen den Lebewesen, den Maschinen und dem Menschen, um die es implizit geht, kann zu einem Mehr an Leistung und zu ökologischeren Anwendungen in Industrie und Technik fürhen. Die Durchdringung unseres Lebens durch die Maschinen hat uns der Welt und der Natur entfremdet und uns dazu gebracht, immer mehr in der Abstraktion und im Virtuellen zu leben. Die Verheissung, das Leben zu meistern, die in letzterem enthalten ist, entsteht nicht durch solch eine rein technische Sicht auf das Leben, sondern vor allem durch eine soziale Beziehung des Menschen zu den anderen Lebewesen und der Natur. Um wieder ins Zentrum unseres Schaffens zu rücken, müssen wir uns in erster Linie gemeinschaftlich unsere Lebensgrundlagen schaffen und dabei in der Natur einen würdigen Partner finden.

Alles Weitere ergibt sich daraus von selber, oder eben nicht…

Bertrand Louart, mai 2013

 

 

Archipel, Zeitung des Europaisches BürgerIhnen Forum.

 Diese Artikelserie ist auf französisch als Broschüre bei Radio Zinzine, F-04300 Limans erhältlich. Alle Personen, die Lust haben, mir bei unabhängigen Recherchen zu den oben angesprochenen Themenbereichen zu helfen, sind herzlich eingeladen

(www.radiozinzine.org).

 

[1] H. Atlan, Le vivant post-génomique, ou qu’est-ce que l’auto-organisation, éd. Odile Jacob, 2011.

[2] Gérard Nissim Amzallag, La raison malmenée, de l’origine des idées reçues en biologie moderne, CNRS éditions, 2002 ; préface d’A. Pichot.

[3] Erwin Schrödinger, Was ist Leben? – Die lebende Zelle mit den Augen des Physikers betrachtet, 1944.

[4] A. Pichot, “Mémoire pour rectifier les jugements du public sur la révolution biologique”, revue Esprit, August-September 2003.

[5] James Watson, Die Doppelhelix, 1968 ; Rowohlt, Reinbek 1997. Brenda Maddox, Rosalind Franklin. Die Entdeckung der DNA oder der Kampf einer Frau um wissenschaftliche Anerkennung. Campus, Frankfurt am Main 2002.

[6] Zur Molekularbiologie, siehe A. Pichot, Expliquer la vie, de l’âme à la molécule, éd. Quae, 2011, S. 994 ff

[7] Dorothy Nelkin et Susan Lindee, The DNA Mystique: The Gene as a Cultural Icon, 1994.

[8] François Jacob, Die Logik des Lebenden, eine Geschichte der Vererbung, 1970. Dieses «Denken über das Leben» bleibt tatsächlich aber das über die Maschine und hat nichts mit dem tun, wovon im weiteren Text die Rede sein wird.

[9] Cf. Pierre Kropotkine, Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt, 1902.

[10] Zu den Grenzen der klassischen Genetik und die jüngsten Entwicklungen der Epigenetik siehe Andras Paldi, L’hérédité sans gènes, éd. du Pommier, 2009

[11] A. Pichot, Expliquer la vie, de l’âme à la molécule, éd. Quae, 2011, «Les limites de la biologie moléculaire», S. 1121 ff.

[12] ebenda S. 1138-1139.

[13] A. Pichot, Éléments pour une théorie de la biologie, éd. Maloine, 1980, S. 28-29.

[14] «Wenn die Entwicklung des Lebens etwas anderes ist, als eine fortlaufende Anpassung an beliebige Umstände, so ist sie nicht länger die Umsetzung eines Plans» Henri Bergson, Schöpferische Evolution. 1907 ; Felix Meiner Verlag, Hamburg 2013.

[15] Jacques Monod, Zufall und Notwendigkeit, philosophische Fragen der modernen Biologie, 1970 ; Piper Verlag, Feb. 1992.

[16] Vor ihm, in der Antike, unterstützte der griechische Arzt Galien (ca. 131-201) ähnliche Ideen.

[17] A. Pichot, Histoire de la notion de vie, éd. Gallimard, 1993.

[18] A.Pichot, Histoire de la notion de vie, éd. Gallimard, 1993.

[19] J.-B. Lamarck, Zoologische Philosophie, 1809.

[20] Marshall Sahlins, The Western Illusion of Human Nature, 2008.

[21] Dokumentarfilm auf Arte, realisiert von Philippe Borel, “Un monde sans humains”, 2012.

[22] Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen. Über die Zerstörung des Lebens im Zeitalter der dritten industriellen Revolution, 1956.

[23] Dokumentarfilm auf Arte, realisiert von Laetizia Ohnona, “Leben aus dem Labor, die Synthetische Biologie”, 2012.

[24] Über Philippe Marliere siehe auch die Analysen von Hervé Le Crosnier, “La boîte de Pandore de la biologie synthétique” et “Les prédicateurs de la génétique extrême” (2010) sur <http://blog.mondediplo.net/&gt;.

[25] im politischen Science-Fiction-Roman 1984 von George Orwell ist einer der Slogans der totalitären Partei « Wissen ist Macht».

[26] Ihr Porträt «Geneviève Fioraso, l’élue augmentée» erschien in Le Postillon, journal de Grenoble et de sa cuvette Nr. 14, Februar-März 2012.

[27] Siehe die Untersuchung der kanadischen Vereinigung ETC, The New Biomassters, Synthetic Biology and The Next Assault on Biodiversity and Livelihoods , 2010, <www.etcgroup.org>.

[28] A. Pichot, Mémoire pour rectifier les jugements du public sur la révolution biologique, Zeitschrift Esprit, August-September 2003.

[29] Aurélien Berlan, La fabrique des derniers hommes, retour sur le présent avec Tönnies, Simmel et Weber, éd. La Decouverte 2012 – «Rückkehr in die Gegenwart mit Tönnies, Simmel und Weber» siehe Buchvorstellung in Archipel 212 u. 213, 2013.

[30] Gérard Nissim Amzallag, La réforme du vrai, enquète dur les sources de la modernité, éd. Charles Léopold Mayer, 2010. Pour une analyse historique en termes de dépossession et perte d’autonomie des communautés rurales et artisanales, voir Karl Polanyi, The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen, 1944 Shur

[31] vom 18.-29. Oktober 2010 fand in Nagoya (Japan) die Weltkonferenz zu Biodiversität statt. Es ging darum, ein internationales Abkommen von 1992 voranzubringen, um das immer schneller vorangehende Verschwinden von Arten zu stoppen. An dieser Stelle wurde die Biodiversität als eine Gesamtheit der Dienste dargestellt, die die Natur der Wirtschaft leistet. So wurde der Wert oder die Verschlechterung im Hinblick auf eventuelle Kompensationszahlungen berechnet.

[32] Jared Diamond u. Sebastian Vogel, Kollaps, warum Gesellschaften überleben oder untergehen, Fischer Taschenbuch Verlag, Sept. 2011.

[33] So gesehen stellt der zweite Weltkrieg sicher einen Wendepunkt dar. Die Entwicklung der Atombombe und diverser anderer Technologien haben zu der heutigen sozialen und ökologischen Krise geführt.

[34] Jacques Monod, Zufall und Notwendigkeit, philosophische Fragen der modernen Biologie, 1970 ; Piper Verlag, Feb. 1992. Im selben Sinn: «das menschliche Wesen ist ein reines Zufallsprodukt, und nicht das unvermeidliche Resultat der Steuerung des Lebens oder der Mechanismen der Evolution», Stephen Jay Gould u. Sebastian Vogel: Illusion Fortschritt, die vielfältigen Wege der Evolution, Fischer Taschenbuch Verlag, März 2004.

[35] um die von Hannah Arendt in Vita activa oder vom tätigen Leben (Verlag Stuttgart Kohlhammer, 1960), vorangetriebenen Kategorien wieder aufzunehmen.

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